Lambert Maria Wintersberger
Willy Brandt, 1977
Öl auf Leinwand
Lambert Maria Wintersberger wurde 1941 in München geboren. Er begann seine künstlerische Laufbahn 1958 als Dekorations-, Kirchen- und Glasmaler sowie Mosaikbildner. Von 1961 bis 1964 besuchte er die Accademia di Belle Arti in Florenz. In den darauffolgenden Jahren bis 1968 war er als freischaffender Künstler in Berlin tätig und gründete mit Markus Lüppertz, Karl Horst Hödicke und 13 anderen Künstlern in einer ehemaligen Sargfabrik die Produzentengalerie Großgörschen 35. Nach einem kurzen Aufenthalt in den USA übernahm Wintersberger von 1974 bis 1977 einen Lehrauftrag an der Kunstakademie Düsseldorf.
Wintersberger wurde mit seinen sogenannten Verletzungsbildern zu einem vielbeachteten Künstler der 1960er-Jahre. Die Darstellung gestauchter, gequetschter, geknebelter und eingeschnittener Glieder und Münder traf den Nerv der Zeit. In fahlen Farben und akribisch wie mit der Sprühpistole, entstanden minimalistisch große Farbflächen zu malträtierten Gliedmaßen als Metaphern für Folter und Unterdrückung. Die Kunstszene und das deutsche Feuilleton feierten Wintersberger gleichermaßen und reihten ihn in die Liste der wichtigsten Deutschen Künstler ein. Trotz oder auch gerade wegen des großen Erfolgs wechselte Wintersberger immer wieder seinen Malstil und die Hinwendung zum (Selbst-) Porträt in den 1970er Jahren ist auch eine Reflektion des Künstlers, der die eigene Zerrissenheit in seinen Bildern thematisiert. Er fokussierte sich nunmehr auf das Gesicht, als Spiegel der Persönlichkeit.
Neben den Selbstporträts entstanden in den Jahren 1973 bis 1978 rund 50 Bildnisse von Persönlichkeiten, die entweder zu seinem direkten Freundeskreis gehörten oder als Politiker, Künstler, Musiker usw. in der Öffentlichkeit standen und durch die Medien zu Symbolfiguren einer Epoche stilisiert wurden. Gemeinsam ist all diesen Arbeiten die entindividualisierte glatte Maltechnik mit präzisen Flächen und feinsten Farbabstufungen. Allerdings verbreiten die collagierten Gesichter nicht dieselbe klinische Atmosphäre der frühen Arbeiten. Die zueinander geordneten Farbflächen sind abstrakt in der Anmutung, haben aber eine präzise inhaltliche Bedeutung.
Zur Porträtreihe mit Personen der Zeitgeschichte gehört auch das Porträt von Willy Brandt, das im Jahr 1977 entstanden ist. Bereits 1974 hatte Wintersberger Helmut Schmidt auf einer ähnlich großformatigen Leinwand porträtiert. Beide Bilder verunsichern den Betrachter im ersten Moment. Starr, fast gespenstisch blickt Willy Brandt aus der Leinwand, der dominierende Grünton der Palette unterstreicht den morbiden Eindruck und die Gesichtszüge sind maskenhaft stilisiert. Wintersberger gelingt es, trotz einer starken Abstraktion, die wesentlichen Charakterzüge des Porträts von Willy Brandt herauszuarbeiten, so dass der Betrachter in zweifelsfrei identifizieren kann. Das Kunstwerk entstand drei Jahre nach dem Rücktritt von Willy Brandt als Bundeskanzler und es scheint, als würden die inneren Verletzungen und der angeschlagene gesundheitliche Zustand Brandts in diesem Bildnis sichtbar.
Schon Anfang der 1980er Jahre änderte Wintersberger seinen Malstil erneut radikal und entwickelte sich künstlerisch in eine expressionistische Richtung. Er besann sich auf die Naturnähe der Kindheit, die er mit seiner Familie immer wieder im Karwendelgebirge erlebt hatte. Expressionistisch, jedoch in einem ruhigen Duktus und Gestus, legte er fortan eine intensivere Palette auf die Leinwand und variierte das Thema Landschaft in verschiedenen Zyklen.
Lambert Maria Wintersberger ist 2013 in Walbourg (Frankreich) verstorben.
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